Selbstorganisierung und feministische Arbeit im Kontext von Migration

KONFERENZ | ALS ICH NACH DEUTSCHLAND KAM | Oktober 2017 | Berlin

KONFERENZALS ICH NACH DEUTSCHLAND KAMOktober 2017 | Berlin

Im letzten Gespräch geht es um die erfolgreiche Selbstorganisierung und feministische Arbeit von Migrant*innen in Deutschland. Moderiert von Saboura M. Naqshband berichten drei Frauen, wie sie sich organisierten und ihre Rechte erkämpften. Kook-Nam Cho-Ruwwe, die 1970 aus Südkorea nach Westdeutschland kam, um – wie viele andere in Zeiten des Pflegenotstands – als Krankenschwester zu arbeiten, erzählt von ihrem erfolgreichen Kampf für unkündbares Bleibe- und Arbeitsrecht für koreanische Krankenschwestern, das sie 1978 errungen hatten. Seher Yeter kam als politische Exilantin aus der Türkei und berichtet von ihrem Kampf für eine internationale Frauensolidarität. Ob am 8. März oder am 25. November, ob in Berlin, Rojava, Spanien oder in der Türkei – sie zeigt die Notwendigkeit auf, dass Frauen sich solidarisch gegen spezifisch frauenfeindliche und rassistische Angriffe verbinden müssen. Gülşen Aktaş, geboren in Ostanatolien und aufgewachsen in Deutschland, berichtet von der Seniorenfreizeitstätte HUZUR in Berlin, in der ältere Menschen und vor allem Frauen aus über 30 verschiedenen Herkunftsländern zusammenkommen, in Austausch treten, sich historisch bilden und gegen die Vereinzelung und Vereinsamung vorgehen.

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AUDIO

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Fotos des Panels

Referentinnen & Moderatorin

Gülşen Aktaş widmet ihr Leben dem politischem Aktivismus und der Frauenarbeit in Deutschland. Geboren in Dersim, wurde sie Grundschullehrerin in der Provinz Diyarbakır. Im Alter von 20 Jahren folgte Gülşen ihrer Mutter Şirin nach Deutschland, studierte Politikwissenschaft und arbeitete in einem der ersten Frauenhäuser in Berlin und war bei verschiedenen Immigranten- und Frauenprojekte tätig. Sie war aktives Mitglied von Schabbeskreis und war und ist in verschiedenen Frauengruppen vernetzt. Seit 2007 ist sie Leiterin von HUZUR, der ersten interkulturelle Freizeitstätte in Berlin, die von SeniorInnen aus ca. 30 Ländern frequentiert wird.

Kook-Nam Cho-Ruwwe wurde am 30. November 1948 in Kimcheon, Südkorea geboren und hat, bevor sie 1970 als Arbeitsmigrantin nach Deutschland kam, ihre Berufsausbildung als Krankenschwester absolviert. Über 40 Jahren war sie in verschiedenen medizinischen und pflegerischen Einrichtungen erwerbstätig. Sie ist Gründungsmitglied der koreanischen Frauengruppe in Deutschland und Vorstandsvorsitzende im Dachverband der Migrantinnenorganisationen (DaMigra e.V.). Sie beschäftigt sich mit Themen wie dem Pflegenotstand in Deutschland seit Ende der 1950er Jahre, der Anwerbung asiatischer Krankenschwestern aus Indien, den Philippinen und Korea und der Zwangsrückkehr asiatischer Krankenschwestern in ihre Herkunftsländer. Dabei organisiert sie verschiedene Widerstandsaktionen und hat für unkündbare Bleibe- und Arbeitsrechte in den Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz gekämpft.

Seher Yeter wurde 1971 in Erzincan geboren. Sie zog im Alter von vier Jahren mit ihrer Familie nach Istanbul. Sie absolvierte die Grund- und Sekundarschule und zur Hälfte die Hochschule. Dann begann sie in der Textilindustrie in der Qualitätskontrolle zu arbeiten. Neben der Arbeit in der Textilindustrie setzte sie sich aktiv für den Frauenkampf, für Frauenrechte und Frauenfreiheit ein. Um sich in diesem Bereich fortzubilden, lernte sie von den Erfahrungen der Frauen in ihrem Land und anderen Teilen der Welt zu lernen. Sie lebt seit 17 Jahren in Deutschland und arbeitet hier weiterhin als Teil des Kampfes zur Befreiung der Frau. Sie ist aktiv im Verein Sozialistischer Frauen (SKB) und macht aufmerksam auf die Wichtigkeit des internationalistischen Frauenkampfes.

Ceren Türkmen (geb. 1980 in Duisburg) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Sie ist Soziologin und arbeitet, schreibt und doziert zur Geschichte der Arbeitsmigration in Deutschland, (historischer) Rassismus- und politische Migrationsforschung, Neomarxismus & Postkoloniale Kritik, Stadtsoziologie und Kapitalismusforschung. Seit Mitte der 1990er Jahre ist sie aktiv in MSOs und in der NSB. Sie ist Mitglied im politischen Sound-Art-Kollektiv Ultra-red. www.uni-giessen.de

BILDER VON DEN PANELLISTINNEN

ÜBER DIE KONFERENZALS ICH NACH DEUTSCHLAND KAM

International Womenspace organisierte im Oktober 2017 eine zweitägige Konferenz in Berlin. In sechs Podiumsdiskussionen teilten Frauen ihre Erfahrungen: Frauen, die als Gastarbeiterinnen nach Westdeutschland kamen; Frauen, die als Vertragsarbeiterinnen nach Ostdeutschland kamen; Frauen, die als Migrantinnen und Geflüchtete in das wiedervereinte Deutschland kamen, sowie deutsche Frauen, die von Rassismus betroffen sind. Die Referentinnen haben über das Ankommen in Deutschland, das Arbeiten und Leben hier, sowie die politische Organisation als Frauen in diesem Land gesprochen. Wir wollten das Wissen mehrerer Generationen von Migrantinnen verbinden, miteinander vergleichen und in einen historischen Zusammenhang setzen. Wir wollten einen Raum schaffen, in dem wir als Frauen uns über unsere individuellen und gemeinschaftlichen Erfahrungen austauschen können. Wir wollten der Idee der migrantischen Frau als Opfer widersprechen, deren Stimme auf Grund von Rassismus, Sexismus und Xenophobie zu oft ignoriert wird. Wir wollten der gängigen Erzählung entgegenwirken, indem wir nicht nur über die Probleme sprechen, denen migrantische und geflüchtete Frauen, sowie deutsche Frauen, die von Rassismus betroffen sind, ständig ausgesetzt sind. Sondern auch die vielfältigen Formen unseres Widerstands dieser Frauen aufzeigen: am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft und gegen die staatliche Unterdrückung. Es war ein Erfolg! Wir waren sehr berührt und inspiriert von der Resonanz auf die Konferenz- vor, während und nach der Konferenz. An jedem Tag kamen über 250 Frauen zusammen, tauschten Erfahrungen über politische Kämpfe und Widerstand in Deutschland aus, lernten aus den Geschichten verschiedener Generationen aus Ost- und West- und dem wiedervereinigten Deutschland, lernten sich kennen und bauten Netzwerke auf. Dies wurde trotz Sprachbarrieren durch die Simultanübersetzung in sechs Sprachen ermöglicht: Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi, Türkisch und Vietnamesisch. Es herrschte eine Atmosphäre von Offenheit und Solidarität, so dass sowohl die Rednerinnen als auch die Teilnehmerinnen frei über ihre persönlichen Erfahrungen sprechen konnten. Die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen zeigten, dass eine solche Konferenz sehr notwendig war und dass ein starker Wunsch nach fortgesetztem Austausch, politischer Aktion und Vernetzung besteht. Wir betrachten die Konferenz als Ausgangspunkt und freuen uns auf die nächsten Schritte …

FOTOS DER KONFERENZ | TAG 2