Rassismus & rassistische Gewalt in Deutschland von den 90er Jahren bis heute

KONFERENZ | ALS ICH NACH DEUTSCHLAND KAM | Oktober 2017 | Berlin

KONFERENZALS ICH NACH DEUTSCHLAND KAMOktober 2017 | Berlin

Die frühen Neunzigerjahre waren der Beginn einer Welle rassistischer Attentate auf Migrant*innen infolge der Wende. Im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre terrorisierte und mordete der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) unbehelligt in der ganzen Bundesrepublik. In den darauffolgenden Jahren kam es zu vermehrten rassistischen Angriffen und Attacken auf vermeintliche Ausländer*innen. Ceren Türkmen, Ayşe Güleç, B a f t a und Peggy Piesche zeigen in diesem Gespräch, dass es nicht den einen Rassismus, sondern vielmehr verschiedene Rassismen gibt und gab, die sich in der Gesellschaft, in den Institutionen und in den Köpfen und Aktionen Einzelner formieren können. Ihre Erzählungen gelten jedoch nicht der Täter*innenperspektive, sondern dem antirassistischen und antifaschistischen Widerstand in seinen verschiedenen Formen von Aktion und Organisierung. Ayşe Güleç und Aurora Rodonò berichten über das Tribunal »NSU-Komplex auflösen« 2017 in Köln, B a f t a von der Ban Racial Profiling-Kampagne, Peggy Piesche von der Organisierung Schwarzer Feministinnen in der DDR und danach.

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AUDIO

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Fotos des Panels

Referentinnen & Moderatorin

Aurora Rodonò ist freie Kulturschaffende/Dozentin (Uni Köln). Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren als Aktivistin, Kulturschaffende und Forscherin mit der Geschichte der italienischen Gastarbeiter*innen und dem italienischen Migrationskino. Derzeit ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln beschäftigt und ist darüber hinaus als freie Kulturschaffende und Filmdramaturgin tätig. 2003 bis 2006 war sie beim Ausstellungsprojekt „Projekt Migration“ beteiligt. Im Mai 2017 war sie beim Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ in Köln aktiv, wo die Kämpfe gegen Rassismus seit der Gastarbeitszeit bis heute zusammen gebracht wurden. kunst.uni-koeln.de

Ayşe Güleç studierte Sozialpädagogik an der Universität Kassel und begann ab 1998 im Kulturzentrum Schlachthof im Bereich Migration und (inter-)kulturelle Bildung zu arbeiten. Sie entwickelte den documenta 12 Beirat und war in Folge dessen die Sprecherin. Sie wurde Mitglied der Maybe Education Gruppe der dOCUMENTA (13) und bildete einen Teil der Kunstervermittler*innen aus. Sie arbeitete als Community Liaison im Artistic director office der documenta 14. Als Aktivistin engagiert sie sich in selbstorganisierten Initiativen im Bereich Migration, Postkolonialismus und Anti-Rassismus wie z.B. in der Initiative 6. April und dem Tribunal „NSU-Komplex auflösen“.

B a f t a lebt in Berlin und studiert Sozialwissenschaften im Master. Sie ist Mitglied im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD Bund). Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Marxistischer Gesellschaftstheorie, (Anti-)Rassismus und Migrationspolitik.

Peggy Piesche, geboren und aufgewachsen in der DDR, ist eine Schwarze deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und transkulturelle Trainerin für kritische Weißseinsreflexion in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Seit 1990 ist sie in der Schwarzen (deutschen) Bewegung aktiv und Mitfrau bei ADEFRA e.V. (Schwarze Frauen in Deutschland) und seit 2016 executive board member von ASWAD (Association for the Study of the Worldwide African Diaspora). Ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit liegt in den Feldern von Diaspora und Translokalität, Performativität von Erinnerungskulturen (Spatiality and Coloniality of Memories) sowie Black Feminist Studies und Critical Race und Whiteness Studies.

Ceren Türkmen (geb. 1980 in Duisburg) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Sie ist Soziologin und arbeitet, schreibt und doziert zur Geschichte der Arbeitsmigration in Deutschland, (historischer) Rassismus- und politische Migrationsforschung, Neomarxismus & Postkoloniale Kritik, Stadtsoziologie und Kapitalismusforschung. Seit Mitte der 1990er Jahre ist sie aktiv in MSOs und in der NSB. Sie ist Mitglied im politischen Sound-Art-Kollektiv Ultra-red. www.uni-giessen.de

BILDER VON DEN PANELLISTINNEN

ÜBER DIE KONFERENZALS ICH NACH DEUTSCHLAND KAM

International Womenspace organisierte im Oktober 2017 eine zweitägige Konferenz in Berlin. In sechs Podiumsdiskussionen teilten Frauen ihre Erfahrungen: Frauen, die als Gastarbeiterinnen nach Westdeutschland kamen; Frauen, die als Vertragsarbeiterinnen nach Ostdeutschland kamen; Frauen, die als Migrantinnen und Geflüchtete in das wiedervereinte Deutschland kamen, sowie deutsche Frauen, die von Rassismus betroffen sind. Die Referentinnen haben über das Ankommen in Deutschland, das Arbeiten und Leben hier, sowie die politische Organisation als Frauen in diesem Land gesprochen. Wir wollten das Wissen mehrerer Generationen von Migrantinnen verbinden, miteinander vergleichen und in einen historischen Zusammenhang setzen. Wir wollten einen Raum schaffen, in dem wir als Frauen uns über unsere individuellen und gemeinschaftlichen Erfahrungen austauschen können. Wir wollten der Idee der migrantischen Frau als Opfer widersprechen, deren Stimme auf Grund von Rassismus, Sexismus und Xenophobie zu oft ignoriert wird. Wir wollten der gängigen Erzählung entgegenwirken, indem wir nicht nur über die Probleme sprechen, denen migrantische und geflüchtete Frauen, sowie deutsche Frauen, die von Rassismus betroffen sind, ständig ausgesetzt sind. Sondern auch die vielfältigen Formen unseres Widerstands dieser Frauen aufzeigen: am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft und gegen die staatliche Unterdrückung. Es war ein Erfolg! Wir waren sehr berührt und inspiriert von der Resonanz auf die Konferenz- vor, während und nach der Konferenz. An jedem Tag kamen über 250 Frauen zusammen, tauschten Erfahrungen über politische Kämpfe und Widerstand in Deutschland aus, lernten aus den Geschichten verschiedener Generationen aus Ost- und West- und dem wiedervereinigten Deutschland, lernten sich kennen und bauten Netzwerke auf. Dies wurde trotz Sprachbarrieren durch die Simultanübersetzung in sechs Sprachen ermöglicht: Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi, Türkisch und Vietnamesisch. Es herrschte eine Atmosphäre von Offenheit und Solidarität, so dass sowohl die Rednerinnen als auch die Teilnehmerinnen frei über ihre persönlichen Erfahrungen sprechen konnten. Die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen zeigten, dass eine solche Konferenz sehr notwendig war und dass ein starker Wunsch nach fortgesetztem Austausch, politischer Aktion und Vernetzung besteht. Wir betrachten die Konferenz als Ausgangspunkt und freuen uns auf die nächsten Schritte …

FOTOS DER KONFERENZ | TAG 2