Im Rahmen der Umsetzung der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft (2015-2024) hat Berlin eine Expert*innenkommission – das Gleichstellungsbegleitgremium (GBG) zur Bekämpfung von anti-Schwarzem Rassismus – eingesetzt. Die zivilgesellschaftlichen Expert*innen des unabhängigen Berliner Gremiums befassen sich umfassend mit anti-Schwarzem Rassismus als einer spezifischen Form des Rassismus.

Was ist unser Ziel?

Hauptziel des GBG/Expert*innenkreises ist es, anti-Schwarzen Rassismus (ASR) öffentlich zu thematisieren, das gesellschaftliche Bewusstsein dazu zu erhöhen, durch ASR verursachte Barrieren zu bekämpfen und Schwarzes Leben in Deutschland nachhaltig zu fördern.

Die Arbeit des Gremiums zielt darauf ab, einen rassismuskritischen Kulturwandel in der Berliner Verwaltung und in öffentlichen Institutionen zu erwirken und einen Strukturwandel in der Berliner Stadtgesellschaft insgesamt zu begleiten und nachhaltig aufzubauen (Gesamtstrategie Rassismuskritisches Berlin).

Da das Handlungsfeld anti-Schwarzer Rassismus institutionell gesehen relativ neu ist, besteht ein wichtiges Ziel darin, bestehende Lücken in diesem Handlungsfeld community-basiert zu beleuchten und Empfehlungen auszusprechen. Diese richten ihren Fokus insbesondere auf strukturelle und institutionalisierte Verankerungen von anti-Schwarzem Rassismus. Langfristig soll es darum gehen, das gesellschaftliche Wissen zur Gleichstellung von Menschen afrikanischer Herkunft zu erhöhen, um die durch anti-Schwarzen Rassismus verursachten vielfältigen Barrieren systematisch abzubauen. Außerdem begleitet das Gremium die Entwicklung einer Gesamtstrategie zur Verstetigung der Maßnahmen der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft in Berlin.

Warum ein spezielles Gremium?

Die Gleichstellung von Menschen afrikanischer Herkunft systematisch zu konzipieren sowie erste Schritte in Richtung Zielerreichung zu initiieren, ist eine voraussetzungsvolle Aufgabe. Sie erfordert Schlüsselkompetenzen: ein Verständnis bereits vorhandener Gleichstellungskonzeptionen und -instrumente, eine intersektional-rassismuskritische Fundierung, konkrete Erfahrungen mit der Netzwerkarbeit in hyperdiversen Schwarzen Communitys und ihren Selbstorganisationen, Kenntnisse über anti-Schwarzen Rassismus als relativ neuem Wissensfeld, die Fähigkeit zur Moderation von Prozessen sowohl politischer als auch fachspezifischer Art, Ambiguitätstoleranz, die Fähigkeit, in widersprüchlichen Lagen zu handeln sowie Konflikt- und Reflexionskompetenzen.

Wer sind die Expert*innen?

Auf Vorschlag der Projektleitung und der Dialogischen Prozessbegleitung durch die wissenschaftliche Fachgruppe Diversifying Matters des Vereins Generation ADEFRA, wurden acht afrodiasporische Expert*innen ernannt.

Prof. Dr. Maisha M. Auma (sie/ihr) ist Erziehungswissenschaftlerin und Geschlechterforscherin. Sie ist Professorin für Kindheit und Differenz (Diversity Studies) an der Hochschule Magdeburg – Stendal. Aktuell ist sie Audre Lorde Gastprofessorin for Intersectional Diversity Studies, der ‚Diversity and Gender Equality Network‘ der ‚Berlin University Alliance‘ (BUA), am Standort TU Berlin. Sie ist seit 1993 aktiv bei ADEFRA e.V. (Schwarze Frauen* in Deutschland). Gemeinsam mit Peggy Piesche und Katja Kinder hat sie den Berliner Konsultationsprozess „Die Diskriminierungssituation und die soziale Resilienz von Menschen afrikanischer Herkunft in Berlin sichtbar machen“ 2018 durchgeführt und einen Maßnahmenkatalog zur Gleichstellung Schwarzer Menschen, ebenfalls im Auftrag des Berliner Senats 2021 erstellt.

Miriam Siré Camara (sie/ihr) ist Gründerin und Geschäftsführerin von akoma coaching & consulting (2014). Sie hat langjährige Erfahrung als Organisationsentwicklerin und systemische Coach und einen fachlichen Hintergrund in Kommunikations- und Betriebspsychologie. Seit fast 20 Jahren gestaltet und begleitet sie klassische und diskriminierungskritische diversitätsorientierte Organisationsentwicklungs- und Transformationsprozesse in Kulturinstitutionen, Verwaltungen, Non-Profit- und Profit-Organisationen. Ihre Schwerpunkte liegen hierbei u. a. in den Bereichen Prozessoptimierung, Personalgewinnung/-entwicklung und FührungskräfteCoaching. Darüber hinaus ist sie Referentin und (Fach-)Moderatorin in den Themenfeldern Diversität/Diskriminierung, Macht und Kunst.

Tahir Della (er/ihn) ist seit 1986/87 Aktivist in der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.“ (ISD) und seit 2001 Sprecher der Organisation. Seine Schwerpunkte sind unter anderem die Auseinandersetzung mit Deutschlands kolonialer Vergangenheit und ihren Kontinuitäten, die Weiterentwicklung einer kritischen Erinnerungskultur und Kampagnenarbeit bezüglich rassistischer Polizeigewalt und des Abbaus rassistischer Bild- und Sprachpolitik in den Medien. Seit Januar 2016 besetzt er die Promotorenstelle für Dekolonisierung und Antirassismus im bundesweiten „Eine Welt Programm“, die von der ISD betreut wird. Neben seiner Tätigkeit bei der ISD ist er im Vorstand von „neue deutsche organisationen – das postmigrantische netzwerk“ und von „Decolonize Berlin”.

Dr. Ibou Coulibaly Diop (er/ihn) ist Literaturwissenschaftler und Kurator. Derzeit erarbeitet er für den Berliner Senat ein Erinnerungskonzept für eine stadtweite Erinnerungskultur und ist gemeinsam mit Lorraine Bluche für die Stiftung Berliner Stadtmuseum in der Kompetenzstelle Dekolonisierung tätig. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit der global(isiert)en Dimension der Literatur von Michel Houellebecq und der Frage nach Globalisierung und Universalisierung der Literatur im Allgemeinen. In seiner Arbeit interessiert er sich für die Frage, wie wir trotz unserer Differenzen zusammenwachsen können und welche Ansätze in der Literatur darüber zu finden sind. Er lebt in Berlin.

Saraya Gomis (sie/ihr) ist Pädagogin und war von 2021 bis 2023 Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Antidiskriminierungsarbeit, diskriminierungskritische Bildung und Organisationsentwicklung.

Jennifer Kamau (sie/ihr) ist die Sprecherin des International Women* Space (IWS), einer Organisation, die sie 2012 mitbegründet hat. IWS ist ein antirassistisches, feministisches Kollektiv, das aus geflüchteten und migrantischen Frauen sowie Frauen ohne diese Erfahrung besteht. Im Jahr 2019 initiierte Jennifer die Break Isolation Group (BIG) innerhalb des IWS – eine selbstorganisierte Arbeitsgruppe von geflüchteten Frauen – ein Raum, um zusammenzukommen und sich gegen Isolation und Diskriminierung im Asylverfahren zu organisieren. Die Gruppe besucht regelmäßig Geflüchtetenunterkünfte (Lager), um mit weiteren Frauen in Kontakt zu treten.

Jeff Kwasi Klein (er/ihn) ist Co-Director der Multitudes Foundation, wo er Menschen und Initiativen dabei unterstützt, politische Macht neu zu definieren. Zuvor leitete er das community-basierte Finanzierungsprojekt May Ayim Fonds von Each One Teach One e.V. (EOTO). Jeff ist Mitglied des Migrationsrats Berlin e.V., bei dem er die Interessen Schwarzer Communities und (post-)migrantischer Selbstorganisationen vertritt. Jeff setzt sich insbesondere für die Überwindung struktureller und institutionalisierter Formen von Rassismus ein und fokussiert in seiner Arbeit die Themen Empowerment, Leadership und Community-Building.

Peggy Piesche (sie/ihr) ist geboren und aufgewachsen in der DDR. In der bpb leitet sie den Fachbereich „Politische Bildung und plurale Demokratie“ am neuen Standort Gera mit dem Schwerpunkt der Verknüpfung von Diversität, Intersektionalität und Dekolonialität (d_id). Sie ist seit 1990 Mitfrau* bei ADEFRA e.V. (Schwarze Frauen* in Deutschland). Gemeinsam mit Maisha Auma und Katja Kinder hat sie in dem wissenschaftlichen Team Diversifying Matters, eine Fachgruppe von Generation Adefra, den Berliner Konsultationsprozess zur UN Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft 2018 durchgeführt. Ihre Leidenschaft liegt in einer Schwarzen feministischen communitybasierten Bildungsarbeit. Deshalb visioniert sie auch weiterhin ein Schwarzes feministisches Bildungshaus.

Wie lauten unsere Arbeitsprinzipien?

PARTIZIPATION – Nicht ohne uns!

Partizipation bedeutet Teilhabe. Wir möchten als Schwarze Menschen in Berlin an den Prozessen der Berliner Verwaltung teilhaben. Qualitätsvolle Teilhabe heißt, dass wir weder einseitig als „Klient*innen“ betrachtet werden noch eine Alibi-Funktion (Tokenism) übernehmen wollen. Partizipationskonzepte müssen gemeinsam mit uns und von uns erarbeitet werden, so dass die Steuerung von Teilhabeprozessen von der marginalisierten vulnerablen Gruppe ausgeht.

PROFESSIONALISIERUNGSKULTUR

Marginalisierte vulnerable Gruppen müssen die Möglichkeit bekommen, ihr Wissen in Bezug auf ihre spezifischen Lebensrealitäten qualifizieren und professionalisieren zu können. Diese Expertisen, die zum Teil auch schon bestehen, müssen zudem formal anerkannt und damit als verwaltungsrelevantes Wissen aufgenommen werden.

REFLEXIVE SOLIDARITÄT

Die Logik der derzeitigen Förderrichtlinien setzt marginalisierte vulnerable Gruppen oftmals in Konkurrenz zueinander. Das heißt, Überschneidungen von Diskriminierungs- und Marginalisierungserfahrungen (Intersektionen) aber auch community-übergreifende Solidarisierungen sind nicht als Bestandteil von Inklusionskonzepten in Förderrichtlinien verankert. Das Gleichstellungsbegleitgremium zielt deshalb auf eine intersektional-rassismuskritische Gleichstellungsarbeit, welche die Solidaritätsarbeit zwischen vulnerablen Gruppen unterstützt, statt Konkurrenz zwischen ihnen zu re-/produzieren.

An wen kann ich mich wenden?

Interimsprojektleitung: Nicola Lauré al-Samarai (sie / ihr)
T +49 30 240 45 – 109
nicola.laure@raa-berlin.de
www.raa-berlin.de